Scherben bringen Glück

Die kleine Elfe hielt ihre Knie eng umschlungen, machte einen Katzenbuckel und schaukelte in der dicken weißen Weihnachtskugel hin und her. Dabei raschelte der glänzende Stoff ihres hübschen Kleides zur Melodie, die sie gerade sang. Ihr silberner Zauberstab kullerte im gleichen Rhythmus direkt neben ihrem kleinen Po von der einen Kugelhälfte zur anderen. Die schneeweißen Flügel klappte die Elfe im Takt der Weihnachtslieder wie ein Schmetterling auf und zu – das wirbelte ihre blonden Locken in die Luft. Die rockige Musik hatte sie sogar drei lange Federn gekostet, weil sie aus Versehen einen Purzelbaum in der Kugel geschlagen hatte.

Die Elfe reckte und streckte sich zu einigen gymnastischen Übungen. Schon Mitte November hatte sie sich in die Weihnachtskugel gezaubert, um pünktlich am Heiligen Abend eine Familie glücklich zu machen. Leider war ihr nicht klar, dass zunächst alle Kugeln, große, dicke und dünne, dicht an dicht in Papierschachteln oder großen Körben zum Verkauf ausliegen würden. Sie hatte zuvor auch nichts von riesigen Weihnachtskaufhäusern gehört, in denen die Kugeln vom Keller bis unterm Dach liegen. Seit Anfang Dezember befand sie sich nun in einem braunen Weidengeflechtkorb in der vierten Etage eines solchen Kaufhauses.

Anfangs war die Elfe tief unten im Korb, im Dunkeln. Mittlerweile war sie zum Glück schon weiter oben. Sobald die Sonne durch das große weihnachtlich geschmückte Schaufenster schien, konnte sie sogar durch ein winziges Sternchen in der Kugel über ihr hindurch blinzeln.

Manchmal sah sie dann kleine Hände, große Hände, alte Hände oder wuschelige Handschuhe. Alle hielten die Kugeln vorsichtig fest und bestaunten sie. Das brachte zwar Abwechslung, ab und zu einen kleinen ungewollten Kick, wenn eine bestaunte Kugel etwas zu unsanft wieder in den Korb gelegt wurde und mit den anderen zusammenstieß –  mehr aber nicht.

Die kleine Elfe seufzte. Nur noch zehn Tage bis Weihnachten. Sie polierte ihren Zauberstab bestimmt schon zum zehnten Mal an diesem Vormittag. Viele Menschen zwängten sich inzwischen durch die engen Gänge des Geschäftes. Manchmal schaukelte sogar der Weidenkorb, sodass es der Elfe schon ein wenig flau im Magen wurde.

Plötzlich rollten drei über ihr liegende Kugeln nacheinander über den Rand des Weidenkorbes und zersprangen in tausend kleine Glasstückchen.

„Tut mir Leid, das habe ich nicht gewollt.“ Der Mann schämte sich für sein Missgeschick.

„Ist doch nicht schlimm. Es ist ja auch sehr eng hier. Das kann schon mal passieren.“ Die freundliche Verkäuferin holte einen Besen und fegte die Scherben zusammen.

Nun lag die weiße Weihnachtskugel mit der kleinen Elfe endlich obenauf und funkelte im Sonnenlicht. Schon bald darauf packten sie zwei kleine Hände: „Omi, schau mal, die ist hübsch, die schenke ich Mutti zu Weihnachten. Ich hänge sie heimlich an unseren Weihnachtsbaum. Aber psst, nichts verraten!“

Am Heiligen Abend zauberte die kleine Elfe für ihre Familie einen Glücksmoment nach dem anderen. Jetzt wusste sie auch, warum die Menschen manchmal sagten: „Scherben bringen Glück!“