Karussellpferd

Auf in die nächste Runde - wir starten!

"Endlich ist es bald Nachmittag, und die Kinder werden wieder auf uns reiten", sagte das weiße Karussellpferd mit dem roten Halfter zu dem anderen weißen Pferdchen, das direkt neben ihm langsam Kreis galoppierte. Beide waren schon etwas in die Jahre gekommen. An einigen Stellen blätterte die Farbe ab, und der Sattel hatte ein paar dicke Kratzer. Aber dies alles schien den Kindern, die den Weihnachtsmarkt besuchten, nichts auszumachen. Die beiden wurden von ihnen als erstes ausgewählt, weil ihre Mähnen so schön aussahen.

Die Pferdchen hörten interessiert zu, wenn die kleinen Reiter sich über ihre Weihnachtswünsche und Adventsfeiern unterhielten oder sich auf das Christkind freuten. Einige Kinder blieben mitunter stumm oder weinten. Entweder hatten sie Angst auf den Pferdchen zu reiten oder sie genossen die Runden so sehr, dass sie nur Augen für ihr Pferdchen hatten und es die ganze Zeit über liebevoll streichelten.

"Schau', da kommen die ersten! Ich bin neugierig auf die Gespräche."

Wenige Minuten später drehte sich das Karussell im Kreis.

Levin und Kian, die 6jährigen Zwillinge, winkten ihren Eltern in der ersten und zweiten Runde zu. Danach unterhielten sie sich ausführlich über ihre Weihnachtswünsche.

"Ich wünsche mir, dass Oma und Opa gesund sind und sie zu uns zu Besuch kommen können. Das ist immer so lustig, wenn Opa die Weihnachtslieder brummt. Wie der Bär, den wir im Zoo gesehen haben. Genauso hört sich das an!", kicherte Levin.

"Ja stimmt", Kian hielt sich den Bauch vor Lachen und fiel dabei fast aus dem Sattel. "Und ich wünsche mir, dass Papa dieses Mal noch im Hellen von der Arbeit nach Hause kommt und nicht, wie im letzten Jahr, im Dunkeln einen Weihnachtsbaum aussuchen muss. Der im letzten Jahr war so ulkig schief."

"Genau. Mama hat ihn extra in die Wohnzimmerecke geschoben, und wir haben ihn mit Hunderten von Strohsternen geschmückt, damit der krumme Stamm und die kahlen Stellen nicht so zu sehen waren."

Beide erinnerten sich an diesen weihnachtlichen Kraftakt.

Keyboard

"Meinst du, wir bekommen das Schlagzeug und das Keyboard zu Weihnachten?"

"Ich glaube nicht", Kian war skeptisch. "Mama sagte gestern, als sie unseren Wunschzettel gesehen hat, dass sei beides viel zu laut. Das Christkind müsste über unseren Wunsch noch nachdenken."

"Wieso zu laut? Die Laubsauger der Nachbarn sind genauso laut. Du weißt doch, beim ersten Mal, als wir davon wach wurden, haben wir gedacht, ein Monster ist unter unserem Kinderzimmerfenster - so laut dröhnte es."

Die beiden Karussellpferdchen schmunzelten über die Zwillinge.

"Wenn wir die Musikinstrumente bekämen, könnten wir ein Jahr lang in der Musikschule üben und nächstes Weihnachten allen etwas vorspielen. Opa müsste nie wieder Weihnachtslieder singen. Ich glaube, ihm würde das gefallen. Sicher denkt das Christkind so wie wir", Levin war optimistischer als sein Bruder.

"Vielleicht sollten wir den Wunschzettel ergänzen? Nur für den Fall, dass das Christkind Opa weiterhin brummen hören möchte", Kian dachte angestrengt nach, während er sein Pferdchen am Halfter hielt.

Schlittschuhe

"Was hältst du von Schlittschuhen? Papa könnte mit uns zur Eislaufbahn fahren. Mama sagt doch immer, er müsste mehr Sport machen, sein Bauch würde zu rund."

"Super-Idee! Veit hat mir erzählt, dass sein Onkel am Sonntag mit ihm dorthin fährt. Aber der hat Angst, aufs Eis zu gehen. Er wartet lieber in der Eisbar auf Veit und trinkt heißen Kakao. Wir müssen, wenn wir die Schlittschuhe bekommen sollten, in der Eislauf-Pause gut auf Papa aufpassen, denn ich glaube, Kakao hat zu viele Kalorien. Jedenfalls sagt Mama das immer zu mir, wenn ich vier Löffel Kakaopulver in mein Glas Milch geben möchte."

"Ach, das schaffen wir schon! Wir denken uns einfach etwas für die Pause aus und lenken ihn vom Kakao-Trinken ab!"

"Soooo, nochmals kräftig Galoppieren, letzte Runde!", ertönte eine Frauenstimme aus dem Lautsprecher.

Die Zwillinge beschlossen, noch mehr Bilder aus ihrem Spielzeugkatalog für den Wunschzettel auszuschneiden: neben Schlittschuhen noch Fußballschuhe und eine Tischtennisplatte. "Ein großer Wecker fehlt noch auf dem Wunschzettel", Kian tippte sich an die Stirn.

"Wozu brauchen wir den denn?", Levin schaute seinen Bruder zweifelnd an.

"Du Dummchen, damit Papa am Sonntag rechtzeitig wachgeklingelt wird und Zeit für uns und unseren Sport hat. Wir geben die Bestellung beim Christkind einfach für ihn mit auf."

"Brrr, Pferdchen, stopp!"

Die Zwillinge kletterten flink von den Karussellpferdchen und liefen zu ihren Eltern. Für die wartenden kleinen Reiter hieß es: "Auf in die nächste Runde!"