Die Nacht
Vorsichtig sprang das Kuscheltier-Kaninchen Cappuccino aus dem Regal. Das Meerschweinchen Chipsy, ebenfalls ein Kuscheltier von Lina, trat es ihm gleich. Heute war "DIE NACHT" der Kuscheltiere. Schon ein paar Stunden zuvor hatten beide gespürt, wie langsam Gefühl in ihren sonst leblosen Körper kam. Einmal Jahr war das möglich - in der Nacht vor dem Heiligen Abend. Aber nur dann, wenn Kinder sie das ganze Jahr über sorgfältig behandelten und beachteten, gelang das.
Zu ihrem Glück hatte Lina das getan! Sie bürstete das Fell ihrer beiden Kuscheltiere, küsste sie zärtlich, spielte behutsam mit ihnen und hielt sie beim Schlafengehen fest im Arm. Bevor sie zur Schule ging, stellte sie ihre beiden Lieblinge in ihr Regal, um sie vor ihrem kleinen Bruder zu schützen, der gerade laufen konnte.
Cappuccino und Chipsy liefen ins Wohnzimmer. Dort war bereits alles für den Heiligen Abend vorbereitet. Auf dem Tisch stand das Weihnachtsporzellan, in einer Schale lagen frisch gebackene Weihnachtskekse und Schokoladen-Naschereien. Der Duft des Weihnachtsbaumes erfüllte das Wohnzimmer. Hübsch verpackte Geschenke warteten darauf, dass die Kinder sie öffneten.
"Schau' Chipsy, fass' mal dieses Geschenk an. Fühlst du auch einen Kopf, zwei Arme und zwei Beine?"
Das Meerschweinchen tastete mit seinen Pfoten das bunte Weihnachtspapier ab.
"Ja!"
"Möglicherweise ein Bärchen", Cappuccino strahlte. "Hurra, Lina bekommt zu Weihnachten Kuscheltier-Nachwuchs. Dann wären wir im kommenden Jahr zu Dritt."
Das Kaninchen tastete das Geschenkpapier erneut ab, um sicher zu sein und klopfte vor Freude mit seinen Hinterbeinen.
"Hoffentlich!", meinte Chipsy skeptisch.
Danach flitzten die beiden putzmunter durch das Wohnzimmer. Cappuccino schlug ab und zu einen Haken um den Weihnachtsbaum, damit Chipsy ihn nicht fangen konnte. Beim Versteckspielen war das kleine Meerschweinchen eindeutig im Vorteil. Die großen Kaninchenohren ragten über fast alle Verstecke hinaus.
"Ich hab' dich", Chipsy gluckste vor Freude.
Cappuccino verlor bald die Lust daran. Statt dessen schlug er vor, ganz leise ein paar Weihnachtslieder zu singen, um niemanden von der Familie aufzuwecken. In einer kleinen Verschnaufpause fachsimpelten sie darüber, ob die Familie zur Bescherung am Heiligen Abend wieder komplett anwesend sein würde.
"Zum Glück deutet die Anzahl der Wohnzimmerstühle darauf hin", meinte Chipsy. "Ich bin sehr froh darüber!"
Dann schauten sie in der Küche nach, welcher Festtagsbraten geplant war. Die Zeit verging wie im Flug, und sie mussten leider zurück ins Kinderzimmer. Vorsichtig kletterten sie ins Regal und hofften, Lina nicht aufzuwecken. Noch hatten sie ein paar Minuten Zeit, um die schlafende Kleine zu beobachten.
"Meinst du, sie behandelt uns im kommenden Jahr weiterhin gut, so dass wir "UNSERE NACHT" erneut erleben dürfen?", Chipsy zweifelte ein bisschen.
"Da bin ich mir bei Lina ganz sicher!", entgegnete Cappuccino.
Mit diesen zuversichtlichen Gedanken schliefen beide ein.