Gelbe Gummistiefel

Ein außergewöhnlicher Kinderwunsch

Mia beobachtete genau, was ihre Oma tat. Die 75-jährige Großmutter holte ein kuschliges Badehandtuch, das mit kleinen grünen Tannenbäumen verziert war, aus dem Badezimmerschrank und legte es auf einen Hocker in der Küche. Dann platzierte sie einen großen weiß-blauen Behälter neben ihrem Küchenstuhl auf den Fußboden und befüllte das Gefäß mit handwarmen Wasser. Außerdem stellte sie ein winziges Fläschchen auf den Küchentisch, holte ein Stromkabel und schloss dieses am Behälter an.

"Am besten auf Stufe 3 einstellen", murmelte Oma Hilde. Kurz darauf sprudelte das Wasser im Behälter. "So, jetzt etwas Rosenwasser dazu schütten, und schon kann es losgehen."

Mias Großmutter zog ihre Seidenstrumpfhose aus, schlug den Rock etwas nach oben und steckte beide Füße genussvoll in den Behälter. "Ah, das tut gut!" Eine angenehme Rosenduftwolke aus warmem Wasserdampf umhüllte die beiden kurz darauf.

"Oma, warum machst du das?", fragte Mia neugierig.

"Ach, mir schmerzen meine Füße so. Ich bin es nicht mehr gewohnt, so lange unterwegs zu sein. Außerdem hatte ich heute nicht meine bequemen Schuhe an, weil ich mich für dich besonders chic machen wollte. Wann können wir schon 'mal zusammen auf den Weihnachtsmarkt gehen!"

Oma Hilde hatte sich ihr Outfit tatsächlich für Weihnachtsmarktbummel mit ihrer Enkelin sorgfältig ausgewählt: einen anthrazitfarbenen eleganten Wintermantel, einen bordeauxfarbenen Hut, einen gleichfarbigen Stockschirm und farblich passende modische Schuhe. Schließlich wollte sie nicht wie eine 75-jährige unmoderne Oma wirken, wenn sie mit ihrer Enkelin unterwegs war. Selbst wenn ihre Schuhe einen höheren Absatz hatten und sich nicht wirklich für einen mehrstündigen Aufenthalt auf dem Weihnachtsmarkt eigneten. Der Hut sollte ihren Kopf schön warm halten, und den Stockschirm hatte sie nur als Tarnung mitgenommen. Keiner sollte sehen, dass sie sich ab und zu aufstützen musste, wenn ihre Enkelin mit einem der Kinderkarussells fuhr und sie selbst davor wartete.

Die fünfjährige Mia dachte ähnlich: Sie wollte sich für den Bummel mit Oma besonders schön anziehen. Bevor ihre Mutter sie zur Oma bringen konnte, war es zwischen Mutter und Tochter zu einem kleinen Kampf um die passenden Anziehsachen gekommen. So durfte die Kleine zwar den neuen blauen Wintermantel anziehen und ihre passende Pudelmütze inklusive der neuen Handschuhe tragen. Damit war ihre Mutter nach einer kleinen Diskussion einverstanden. Als Mia jedoch die gelben Gummistiefel aus dem Schuhschrank zog, begann der heftigere Streit um die Kleidungsfrage.

"Die sind dir doch viel zu klein! Wir haben nur vergessen, sie im letzten Winter in den Schuhcontainer zu werfen. Deine großen Zehen werden dir schon weh tun, wenn ihr durch den Schnee bis zur Stadtbahn gelaufen seid. Auf dem Weihnachtsmarkt wollt ihr euch den Märchen-Zauberwald, die Buden und den großen Baum anschauen. Oma hat mir ferner gesagt, dass du heute so oft mit den Kinderkarussells fahren darfst, wie du es möchtest. Und ich kenne euch, Hunger auf Pommes und auf etwas Süßes habt ihr beide ebenfalls. Das alles dauert, und du kannst nicht mehr in deinen Stiefeln laufen."

"Nein, die passen mir noch!" Mias Protest war letztlich erfolgreich, und ihre Mutter hatte entnervt aufgegeben.

Auf dem Weihnachtsmarkt waren Oma und Enkelin vielen sofort aufgefallen: eine modisch gekleidete ältere Dame und ein fröhliches blondes Mädchen, das aussah wie die Enkelin des Nikolaus.

"Oma, ich verrate dir ein Geheimnis." Mia rückte mit ihrem Stuhl näher an ihre Großmutter heran. "Aber nachher bitte nichts zu Mama sagen."

"Nein, das verspreche ich dir. Also 'raus mit der Sprache."

"Meine Füße tun mir weh, Oma. Aber ich wollte unbedingt meine gelben Stiefel anziehen, weil sie so schön sind. Mama hat mir gesagt, die sind mir jetzt zu klein. Dürfen meine Füße auch in deine Schüssel?"

"Das ist ein Fußbad", antwortete Oma Hilde. "Na, dann 'mal los! Hol' uns bitte noch vorher ein paar Weihnachtskekse, etwas zu trinken und dein Weihnachtsbuch. Anschließend zieh' schnell deine Strümpfe aus, und steck' deine Füße dazu. Das passt schon! Ich lese dir zugleich eine Weihnachtsgeschichte vor."

Kurz darauf genossen zwei junge und zwei alte Füße die wohlige Wärme und Massage nach dem langen Tag.

"Das war schön, Oma! Jetzt tun mir meine Füße gar nicht mehr so weh!" Mia bewegte ihre kleinen Zehen hin und her. "Ich sage Mama aber nicht, dass mir die Stiefel doch zu klein waren. So ein Fußbad wünsche ich mir auch."

Mias Mutter war überrascht, dass ihre Tochter später nicht über schmerzende Füße klagte - im Gegenteil, sie war fröhlich und hatte gerade den Wunschzettel für das Christkind an die Fensterscheibe des Kinderzimmers geklebt. Ihre Mutter konnte ihn allerdings nicht deuten.

Mia hatte ein Bild gemalt: eine pinkfarbene Kiste mit einem blauen Kreis, der einem mit gelben, roten, orangen und grünen Perlen gefüllten Wasserbecken glich. Dann gab es drei Stufen aus kleinen Schalen, die aussahen wie ein Mini-Wasserfall. Darin lagen ebenfalls bunte Perlen. Es schien, als würde ein Wasserrad die Perlen immer wieder von unten nach oben hochholen und über den Wasserfall in den Kreis fallen lassen. Außerdem hatte Mia drei kleine Fläschchen auf den Wunschzettel gemalt, eine von ihnen mit einer Rose verziert, die zweite mit einem Tannenzweig und die dritte trug ein Etikett, das einem Schokoriegel glich. Drei dicke Buchstaben prangten auf der Kiste - obwohl Mia nicht schreiben konnte: F - K - G.

Wunschzettel

"Mia, was soll dir das Christkindchen bringen? Möchtest du mir das verraten?"

"Ja, ein Fußbad - aber eins für Kinder, die so alt sind wie ich."

"Wie kommst du denn darauf?"

"Oma Hilde und ich haben heute unsere schmerzenden Füße in ihrem Fußbad gebadet und massiert. Danach war alles wieder gut."

"Aha! Und was bedeuten die Fläschchen, die du gemalt hast?"

"Duftwasser für das Fußbad: aus Rosen, Tannenzweigen und Schokolade. Das mögen Kinder alles gerne. Steht hier:

F - K - G. Für Kinder gut!"

"Wie kommst du auf die Buchstaben? Hat Oma dir beim Schreiben geholfen?"

"Ja, ich habe bei ihr angefangen, den Wunschzettel zu malen. Auf Oma Hildes Fußbad stehen auch drei Buchstaben. Oma hat gesagt, das ist die Firma, die das Fußbad gemacht hat. Deshalb muss meines ebenfalls einen Namen haben. Das Christkind weiß schon, welches Kinderfußbad ich meine!"