Geschenkpapier

Jedes Ende ist ein Anfang

Das Elchkind Esra diskutierte heftig mit seinen Freunden. Alle waren zusammen auf einer Rolle Weihnachtsgeschenkpapier abgebildet und sollten in wenigen Tagen die Geschenke unter den Weihnachtsbäumen lustig bunt aussehen lassen.

„Was soll’s, mich interessiert es nicht, wenn ich nur ein kurzes Leben habe, Hauptsache ich liege überhaupt unter einem Weihnachtsbaum“, entgegnete Kalle.

„Auf der Rolle sieht uns sowieso keiner. Wenn wir aber um einen großen Karton gewickelt werden, können uns alle bestaunen“, Giovanni legte immer viel Wert auf sein Aussehen.

„Ja, schon“, gab Esra zu, „aber wenn das Geschenk ausgepackt wird, werden wir entweder zerrissen oder zur Kugel zusammengeknüllt. Keiner von den Beschenkten kommt auf die Idee, uns genauer anzusehen und weiterhin zu gebrauchen.“

„Wie soll das gehen? Es gibt klebrige Stellen vom Tesafilm oder Knicke von den Kordeln auf uns. Wir sind nun mal nur für den Heiligen Abend bestimmt. Ich finde das nicht weiter schlimm.“ Haiko war mit seinen Freunden einer Meinung.

„Ist es doch“, ereiferte sich Esra. „Habt ihr mal an die Berge von Geschenkpapier gedacht, die nach Weihnachten im Müll landen?“

„Bleib cool! Meistens kommen wir in Papiercontainer und werden recycelt. Ist doch egal, dann sind wir eben Altpapier-Elche. Außerdem – hast du eine Idee wie du es anstellen willst, länger zu leben?“

„Nein, noch nicht“, gab Esra kleinlaut zurück. „Aber vielleicht fällt mir noch etwas ein.“ – So schnell wollte das kleine Elchkind nicht aufgeben.

Kurze Zeit später kaufte sich Tobys Oma das Elchpapier, um das neue Laminiergerät für ihren Enkel damit zu verpacken. Sie schnitt ein Riesenstück von der Geschenkpapierrolle ab und lächelte. Es sah so lustig aus, wie die Elchkinder im Schnee spielten, in kleinen Gruppen zusammenstanden oder genüsslich an einer Zuckerstange kauten. So ein schönes Geschenkpapier – viel zu schade, um es nach den Feiertagen achtlos wegzuwerfen!

Nun ein Elchkind sah eher traurig aus. Vielleicht lag es nur an den großen melancholischen Augen und den hängenden Ohren? – Wahrscheinlich bildete sie sich das alles nur ein. Wer würde schon Weihnachtspapier mit einem traurigen Elchkind herstellen?!

Esra grübelte stundenlang darüber nach, wie er es anstellen sollte, als Papierelch länger gebraucht zu werden und schlief kaum noch bis zum Heiligen Abend. Nun lag er seufzend unter dem Weihnachts­baum und hatte sich mit seinem kurzen Leben bis kurz nach der Bescherung endgültig abgefunden.

„Omi, das ist ein tolles Papier, ich werde das Geschenk vorsichtig aufmachen! Und den Elch“, Toby tippte auf Esra, „schneide ich aus und behalte ihn. Der sieht so traurig aus, Omi, guck mal.“

„Komisch, das habe ich auch gedacht“, antwortete sie ihm.

Toby entfernte vorsichtig die Tesafilmstreifen vom Papier und hielt ein Laminiergerät samt Laminierfolien in den Händen.

„Super, das kann ich gut gebrauchen, vielen Dank, Omi! Weiß du was, nach dem Abendessen probiere ich das Gerät aus. Ich lege das ausgeschnittene Elchkind in die Folie und mache mir ein neues Lesezeichen.“

Und am späten Heiligen Abend funkelten in Esras Augen kleine Sterne vor Freude, weil er nun doch nicht im Papiermüll gelandet war.