Silberne Weihnachtskugeln

Bald 50 Jahre Weihnachten

„Opi, warum sind an deinem Weihnachtsbaum nur so wenige Kugeln? Er ist doch groß, und du könntest noch viel mehr von ihnen aufhängen.“

„Ja, das ist richtig, aber dahinter verbirgt sich eine lange Geschichte.“

„Welche Opi – eine Weihnachtsgeschichte? Etwa wie die, die uns Omi immer am Heiligen Abend vor der Bescherung vorliest. ‚Es begab sich aber zu der Zeit …‘. Weiter weiß ich nicht – die Geschichte vom Jesuskind in der Krippe, mit Maria, Josef, den Hirten und Engeln?“

„Nein, diese Geschichte meine ich nicht.“ Marie kletterte auf den Schoß des Großvaters und kuschelte sich dicht an ihn. „Opi, erzähl‘ doch einmal, ich mag Weihnachtsgeschichten.“ Die Kleine reichte ihm einen nach Zimt duftenden Weihnachtskeks und sah ihn erwartungsvoll an.

„Als Omi und ich frisch verheiratet waren, kauften wir für unseren ersten Weihnachtsbaum 50 silberne Kugeln und eine Weihnachtsbaumspitze. Damit schmückten wir einen ähnlich großen Baum wie diesen hier. Ich wollte gerne silbernes Lametta auf den Weihnachtsbaum legen, aber Omi mochte das nicht. Natürlich befestigten wir viele echte Wachskerzen am Weihnachtsbaum.“

„Opi, ich zähle nur zehn Weihnachtskugeln! Hast du die anderen auf dem Dachboden nicht gefunden?“

„Das sind alle Weihnachtsbaumkugeln, mehr haben wir nicht.“

„Was ist mit den anderen passiert?“

„Ja, das ist meine Weihnachtsgeschichte! Also, beim fünften Weihnachtsfest ist Omi beim Schmücken des Baums von der Leiter gefallen – da waren die ersten fünf Kugeln hin. Viele Jahre später, als wir mit der ganzen Familie am Heiligabend zusammen feierten, sagte uns Tante Claudia, dass sie ein Baby bekomme. Da ist Omi vor Begeisterung aufgesprungen und hat sie so heftig umarmt, dass gleich drei Weihnachtsbaumkugeln vom Baum gefallen und in viele Scherben zersprungen sind.

Als Janine, deine Cousine, eine Baby-Born-Puppe und einen Puppenwagen vom Christkind bekam, streifte sie damit den Weihnachtsbaum – die nächsten zwei Weihnachtskugeln zerschellten.“

Marie zählte und nahm dabei ihre Finger zur Hilfe. „Opi, das waren erst zehn kaputte Weihnachtsbaumkugeln. Was ist mit den anderen passiert?“

„Mm, ich muss nachdenken! Mit 11 Jahren bekam Janine ein Fahrrad vom Christkind. Und weil draußen viel Schnell lag, probierte sie es im Wohnzimmer aus. Sie wusste nicht, wie sie bremsen sollte und radelte direkt in den Weihnachtsbaum. Es war um die nächsten vier Kugeln geschehen.“

„Und dann?“

„Alle Kinder durften am Heiligabend ein paar Wunderkerzen anzünden. Ich vermute, wir haben eine von ihnen im Wohnzimmer übersehen. Julian, dein Cousin, hat die Wunderkerze entdeckt, als er in den Weihnachtsferien bei uns zu Besuch war. Er holte sich heimlich Streichhölzer und zündete sie an. Der Weihnachtsbaum war schon trocken, und Omi konnte gerade noch rechtzeitig eine Decke darüber werfen, um Schlimmeres zu verhindern. Das kostete uns weitere zehn Kugeln.

Aber es kam noch schlimmer! Wir hatten 'mal eine riesige Blautanne geschmückt. Leider war unser Weihnachtsbaumständer etwas zu klein dafür. Als Onkel Christian sich am ersten Weihnachtstag ein Stück Torte auf den Teller legen wollte, stieß er mit dem Arm an den Weihnachtsbaum, und der fiel auf ihn. Dabei purzelten die Kugeln über Onkel Christians runden Bauch und landeten auf dem Fußboden. Du kannst dir den Rest denken – wir mussten uns alle das Lachen verkneifen, als Onkel Christian aus der Tanne herauskrabbelte. Das sah so witzig aus! Omi griff zur Kehrschaufel ... zehn Kugeln weniger.“

„Die Geschichte ist nicht zu Ende, es fehlen Kugeln, ich kann schon so weit zählen, Opi!“

„Ja, du hast Recht, im letzten Jahr ist das Tischfeuerwerk am Silvesterabend explodiert, das war die letzte Scherbenrunde – sechs Kugeln weniger.“

„Und bist du nicht traurig, dass nur so wenig Kugeln übrig geblieben sind? Omi sagt immer, sie möchte unbedingt neue kaufen, damit der Baum wieder schöner aussieht.“

2 Silberne Weihnachtskugeln

„Weißt du, immer wenn ich diese silbernen Kugeln ansehe, denke ich an die vielen Weihnachtsfeste, die ich mit euch verbringen konnte. Ich freue mich darüber, dass ich mit Omi schon so lange glücklich bin. Und ich hoffe, dass nach unserem 50. Hochzeitstag, also im nächsten Jahr, noch eine Weihnachtskugel von diesen übrig bleibt. Bei zehn Kugeln habe ich gute Chancen, dass es klappt.“

 

1 silberne Weihnachtskugel

„Opi, das war eine schöne Geschichte. Ich verspreche dir, ich werde an diesem Weihnachtsfest besonders gut auf sie aufpassen. Wenn ich groß bin, kaufe ich mir für meinen ersten Weihnachtsbaum auch 50 Kugeln, damit ich mit meinem Mann so lange glücklich bin wie du es bist.“