Säckchen vom Adventskalender

Ein magischer Adventskalender

Endlich, unser Sohn Joel war eingeschlafen. Er konnte die letzte Nacht vor dem 1. Dezember und natürlich das Öffnen des 1. Adventskalender-Türchens kaum erwarten. Ständig fragte er uns, ob er einen Kalender bekomme und wann er endlich in der Küche aufgehängt sein würde. Lesen konnte er noch nicht, jedoch an den Fingern bis zehn zählen – und heute hieß es noch einmal schlafen, also nur ein Finger zeigte er uns aufgeregt beim Zubettgehen.

Mir wäre es lieb gewesen, es gäbe noch 10 Finger bis zum 1. Advent. Meine Idee, 24 Adventssäckchen mit 24 selbst genähten Stofftieren zu befüllen und an einer Leine aufzuhängen, anstatt einen fertigen Adventskalender zu kaufen, hatte sich als vorweihnachtlicher Stress herausgestellt. Bis jetzt waren zwar alle selbst genähten Säckchen fertig, aber 14 Tiere fehlten noch. Damit unserem Sohn die leeren Säckchen nicht auffielen, befüllte ich diese mit etwas Watte. So sahen sie gleich prall aus. Mein Mann fand, den Unterschied würde Joel bestimmt nicht bemerken.

Kuh

„Mama, die Kuh ist toll, die sieht genauso aus wie die braune, die wir im Wanderurlaub auf dem Bauernhof streicheln durften. Ich stelle sie auf meinen Nachttisch, damit sie heute Nacht nicht so alleine schlafen muss.‟ – Verschwunden war er.

„Gut, die Überraschung ist dir gelungen‟, mein Mann nahm mich zärtlich in den Arm. „Du hast dir viel Mühe mit diesem Adventskalender gemacht. Wenn ich an die zahlreichen Abende denke, an denen ich im Keller die Nähmaschine rattern gehört habe.‟

„Ja, mittlerweile bin ich nicht mehr begeistert von meiner Idee, alles selbst zu nähen. Da muss ich jetzt bis zum 24. Säckchen durch.‟

„Das schaffst du! Ich gehe morgen Nachmittag mit Joel auf den Weihnachtsmarkt. Du hast ja früher Feierabend und musst nicht erst am späten Abend mit dem Nähen anfangen.‟

„Gute Idee, so machen wir das!‟, ich wurde etwas gelassener.

„So Schatz, wir sind um 19 Uhr wieder vom Weihnachtsmarkt zurück. Ist das o.k.?‟ – Mein Mann gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange und zwinkerte mir verschmitzt zu.

„Super, das passt mir gut, habt viel Spaß ihr beiden!‟ Ich gab unserem Sohn ein kleines Küsschen, zog ihm die Mütze tief über die Ohren, wickelte ihm seinen Lieblingsschal um den Hals, winkte ihnen kurz nach, schloss schnell die Haustür und verschwand im Keller, um als nächstes einen Esel in Angriff zu nehmen. Leichter gesagt als getan!

„Du dummer störrischer Esel!‟ schimpfte ich leise vor mich hin. Die Eselsohren kosteten mich unendlich viel Zeit, so dass ich lediglich noch einen Elefanten, ein Kamel, ein Krokodil und einen Papagei schaffte. Und zu allem Unglück klingelte zwischendurch der Paketbote, weil er meine Nachbarin nicht angetroffen hatte. Sie wiederum unterbrach meine Nähaktion kurz, weil sie sich netterweise mit frisch gebackenen Weihnachtskeksen bei mir für das Annehmen des Pakets bedanken wollte.

„Was machst du gerade? Du hast überall Fäden an deiner Jeans und einen hochroten Kopf.‟ – Meine Nachbarin zog einen langen roten Faden von meinem Hosenbein ab.

„Ach, ich verzweifle am Adventskalender für Joel. Ich habe 24 Säckchen aufgehängt und nähe Tiere, die ich darin verstecke. Den Faden hatte ich eigentlich für den Papagei vorgesehen.‟

„Jetzt noch? Heute früh hat Joel doch bestimmt das 2. Säckchen geöffnet.‟

„Ja, leider muss ich noch etliche befüllen. Ich hatte die Idee mit den Stofftieren, damit er zwischen den Jahren etwas anderes zum Spielen hat. Und mir fehlten in den letzten Wochen abends echt die Zeit und Nerven zum Nähen. Ich musste oft länger arbeiten als geplant. Und damit es Joel nicht auffällt, ist jetzt teilweise Watte in den Säckchen.‟

„Guter Trick, ich bin schon weg! Das klappt bestimmt rechtzeitig. Dafür kenne ich dich zu gut.‟

Meine beiden Männer kamen bestens gelaunt und durchgefroren vom Weihnachtsmarkt zurück. Mir glühte der Kopf und ich war gefrustet, weil nach wie vor viele Tiere fehlten.

Schlange

„Papa, ich glaube, in diesem Säckchen ist nichts drin.‟ Unser Sohn tastete die kleinen Säckchen ab. „Fühl‛ doch mal! Ich glaube, hier ist nichts drin, hier auch nicht. Heute früh hat sich das ganz anders angefühlt. Ich konnte die Schlange bereits im geschlossenen Säckchen ertasten.‟

„Manchmal kann es sein, dass sich ein Adventskalender erst nach und nach füllt. Das ist wie bei dem Zauberer, der letztens bei euch im Kindergarten war. Erst hat er euch einen leeren Hut gezeigt und dann das Kaninchen in den Hut gezaubert.‟

„Ja, stimmt, so war das. Meine Erzieherin sagte uns später, das Wort dafür heißt ‚Magie‛. Also habe ich einen ‚Magie-Adventskalender‛. Toll! Das erzähle ich ihr sofort, wenn ich wieder im Kindergarten bin.‟

 

Salamander aus Stoff

Wir schmunzelten. Nachdem Joel im Bett lag, überraschte mein Mann mich mit einigen kleinen hübschen Stofftieren. Diese hatte er, während unser Sohn ein paar Extrarunden im Kinderkarussell drehte, heimlich auf dem Weihnachtsmarkt gekauft.

 

„So Schatz, nun musst du dir keinen Stress mehr machen. Die tausche ich jetzt gegen die Watte in einigen Säckchen aus. – Siehst du, fertig! Und die paar fehlenden Tierchen schaffst du jetzt locker. Aber mit dem Befüllen der letzten Säckchen lass‛ dir Zeit, sonst glaubt Joel nicht mehr an seinen magischen Adventskalender.‟