Nähnadel

Nur ein Piks

Elea planschte mit ihren beiden kleinen Püppchen in einer blauen Plastikschüssel in der Küchenspüle. Ihre Mutter hatte ihr das ausnahmsweise erlaubt, weil sie schnell vor Ladenschluss die letzten Einkäufe für den Heiligen Abend erledigen wollte.

Eleas Vater sollte in der Zwischenzeit auf die Kleine achten. Er war heute früher als üblich von der Arbeit nach Hause gekommen, um die letzten Kleinigkeiten für den Abend vorzubereiten. Da er am Vortag schneller als erwartet mit dem Einstielen des Weihnachtsbaums im Esszimmer fertig geworden war, er alle Kugeln im Baum verteilt und alle Geschenke unter den Baum gelegt hatte, hinderte ihn nichts daran, sich jetzt eine kleine Pause zu gönnen. Später, dachte er, könne er sich unbemerkt von den Blicken seiner Tochter kurz ins Esszimmer zurückzuziehen, um die roten Wachskerzen in die Kerzenhalter zu stecken, sie anzuzünden und traditionell mit dem Weihnachtsglöckchen zu klingeln.

 

Puppen baden in Schüssel

Vom Wohnzimmersofa aus konnte er seine vierjährige Tochter gut im Auge behalten, während sie ihre Püppchen badete. Die Weihnachtsdeko auf der Fensterbank war weit genug von der Schüssel und von den flinken Händen seiner Tochter entfernt. Was sollte also schief gehen?!

Das Wasser spritzte auf, als sie die beiden Püppchen nacheinander vom Wasserhahn in die Schüssel springen ließ. Elea hatte die Ärmel ihres neuen Weihnachtspullovers etwas hoch geschoben, damit sie nicht nass würden. Im Gegensatz zu ihren Püppchen, die sie gründlich baden und hübsch anziehen wollte, war sie für den Heiligabend fertig umgezogen. Sie hatte ihrer Mutter fest versprochen, sich nach dem Mittagessen nicht mehr schmutzig zu machen. Von einem nassen Pullover war dabei nicht die Rede gewesen!

"Ach, ich muss die Fingernägel der beiden schrubben", murmelte Elea.

Ihre Mutter hatte das heute bei ihr ebenfalls gemacht. Aber ins Badezimmer zu gehen, um die Nagelbürste zu holen, war ihr verboten. Sie hatte Mama vorhin ihr Ehrenwort gegeben, nur in der Küche zu spielen.

 

Puppen auf Geschirrspülbürste

"Gute Idee!", dachte sie, "ich nehme die Geschirrspülbürste, die Mama sonst für schmutziges Porzellan benutzt."

Sie verteilte reichlich Geschirrspüler auf der Bürste, gab einen kräftigen Spritzer in die Plastikschüssel und schrubbte ihre Püppchen gründlich ab. Schnell entwickelte sich ein schönes Schaumbad, das in bunten Seifenblasen über den Schüsselrand in die Spüle tropfte und sich alsbald auf ihrem Pullover verteilte.

"Egal", sie streifte den Schaum ab, "bis Mutti zurückkommt, ist der Pulli wieder trocken und ihr seid blitzeblank."

Während Elea die Püppchen im Schaumbad untertauchte, um sie daraufhin erneut einzuseifen, hörte sie das laute Schnarchen ihres Vaters aus dem Wohnzimmer.

"Oh je, wenn er zu laut ist und das Christkind verscheucht!!!"

Elea schlich auf Zehenspitzen zu ihm hin. Sein Schnarchen wurde immer lauter.

"Es wird nicht zu uns kommen, weil es vor ihm Angst hat. Ich habe mir so viel Mühe gegeben, war den ganzen Advent über lieb, bin gestern und heute nicht heimlich ins Esszimmer geschlichen, und nun schnarcht er so mega laut - kurz bevor es zu uns kommen soll."

Elea war betrübt.

Nähnadel

"Ah, ich habe eine Idee!", dachte sie. "Ich nehme eine Nadel aus Muttis Nähkästchen und pikse leicht in seine beiden Wangen. Dann kommt die Luft nicht nur aus dem Mund heraus, und sein Schnarchen wird bestimmt leiser. Selbst wenn ich nicht mit den Nadeln spielen darf, hätte Mama mir sicher erlaubt, ausnahmsweise eine Nadel zu nehmen, wenn dafür das Christkind zu uns kommt und wir alle unsere Geschenke bekommen."

Elea schlich zum Nähkästchen, drehte den Schlüssel herum, zog die Schublade mit den Nadeln vorsichtig heraus und wählte eine spitze davon aus. Sie betrachtete diese gründlich. "Mit der geht es prima!"

Zehn Kinderschritte weiter und sie stand direkt vor ihrem schnarchenden Vater. Sie beobachtete ihn genau, um exakt die Stelle an der Wange zu treffen, aus der die meiste Luft ausströmen sollte.

"Treffer!", konnte sie kaum denken, denn ihr Vater schnellte vor Schmerz vom Sofa hoch und rieb sich die schmerzende Wange."

"Was ist in dich gefahren!" Eleas Vater war fassungslos, und sie blickte verschämt auf ihre kleinen Füße.

"Ich wollte dich nur piksen, damit du das Christkind nicht verscheuchst. Ihr habt immer gesagt, dass ich am Heiligabend vor der Bescherung leise sein muss, damit es zu uns kommt und für uns alle Geschenke bringt. Du, Mama, Oma und Opa - ihr alle wäret bestimmt sehr traurig, wenn ihr keine bekommt."

"Jaaa", Elea Vater war schon etwas versöhnlicher gestimmt, "aber beim nächsten Mal machst du nicht wieder eine solche Dummheit."

"O.k.!" Elea nickte eifrig, denn wenn sie zu viele Dummheiten machen würde, käme das Christkind ebenfalls nicht, hatte Mama ihr heute beim Frühstück gesagt.