Eine Frau mit Charisma
Felizitas summte leise vor sich hin: „Fröhliche Weihnacht überall, tönet durch die Lüfte froher Schall“. Sie klebte gerade Lebkuchenstangen und bunte Zuckerperlen auf das Dach des Knusperhauses, das am Heiligen Abend unter einem Weihnachtsbaum stehen sollte. Am nächsten Tag wollte sie sich einem Helikopter aus Bausteinen auf einer anderen Wunschliste zuwenden. Das war selbst für Felizitas eine Herausforderung, die sie gerne annahm. Sie strahlte vor Vorfreude, wenn sie an die zu beschenkenden Kinder dachte. Keine Aufgabe war zu schwierig für sie!
„Ach, Felizitas, kannst du mir helfen? Ich komme mit den vielen Einzelteilen der Modellbau-Eisenbahn nicht klar!“ Der Weihnachtswichtel stand mit bittendem Blick vor ihr.
„Natürlich, klar doch. Wenn ich alle Süßigkeiten auf das Dach des Knusperhauses geklebt habe, ist zwar bestimmt Feierabend, aber ich helfe dir trotzdem. Die Zeit nehme ich mir gerne. Was gibt es Schöneres, als Geschenke für das Weihnachtsfest vorzubereiten!?“ Ihre dunkelblauen Augen glitzerten vor Begeisterung.
„Das ist echt nett von dir, danke, und bis gleich dann. Ich hole alles schon einmal hierhin.“
Viele Stunden später brüteten beide über der Gebrauchsanweisung. Deshalb sahen sie den Weihnachtsmann nicht, der gerade einen kleinen Spaziergang durch die Weihnachtswerkstatt unternahm. Ihm war von vielen Weihnachtswichteln zugetragen worden, dass Felizitas immer mit Freude bei der Arbeit sei, dass sie nie ihren Humor verlieren und dass sie nach Feierabend manchmal für die Weihnachtswichtel singen würde. Deshalb hatte er sich vorgenommen, sie auf einen Kakao zu sich einzuladen, um sie näher kennenzulernen.
Felizitas machte sich für den Besuch beim Weihnachtsmann besonders hübsch, den sie bisher nur aus Erzählungen der Weihnachtswichtel her kannte. Sie kämmte ihre tiefschwarzen Haare, flocht sich einen Zopf und zog ein weinrotes mit goldenen Sternchen besticktes Samtkleid an. Ihre Wangen waren vor Aufregung etwas gerötet – kein Wunder, denn schließlich ging sie zum ersten Mal zu ihm.
Vorsichtig klopfte sie an seine Tür. Nach einem kräftigen „Herein“ drückte sie die schmiedeeiserne Türklinke herunter und betrat sein nach Zimt und Honig duftendes Wohnzimmer. Als sie auf den Weihnachtsmann zuging, konnte er sofort verstehen, warum alle Wichtel von Felizitas schwärmten. Sie sah nicht nur aus wie eine Prinzessin, sondern bewegte sich auch gleichermaßen anmutig.
Die Zeit an diesem 2. Adventssonntag verging für beide wie im Nu. Sie plauderten über Weihnachten, über die Wunschlisten der Kinder sowie über die große Verantwortung bei der Herstellung und Verteilung der Weihnachtsgeschenke. Sie lachten über kleine Pannen in der Weihnachtswerkstatt und sangen zusammen einige Weihnachtslieder. Auch seine Vorliebe für warme Milch teilte Felizitas mit dem Weihnachtsmann.
In der folgenden Woche beobachteten ihn die Wichtel immer wieder dabei, wie er ganz zufällig Felizitas Nähe in der Weihnachtswerkstatt suchte. Sie kicherten leise, weil sie sich darüber freuten, dass sich der Weihnachtsmann nach so vielen Jahren des Alleinseins endlich verliebt hatte. Allerdings war ihm dies selbst noch nicht klar. Deshalb schmiedeten sie gemeinsam einen Plan, wie aus beiden bis zum Heiligen Abend – und bis dahin war nicht mehr viel Zeit – ein Paar werden könnte.
Am 4. Adventssonntag sollte es ein Weihnachtswerkstatt-Fest geben – mit weihnachtlichen Geschichten, vielen Leckereien, mit Musik und Tanz. Zufällig würden die Weihnachtswichtel dafür sorgen, dass der Weihnachtsmann und Felizitas nebeneinander säßen. Besondere Köstlichkeiten wollten sie für beide kochen, denn Liebe gehe bekanntlich durch den Magen. Romantische Musik und Tänze bei Kerzenschein würden beide zunehmend verzaubern, da waren sie sich sicher. Außerdem sollte der Hauptgewinn der Tombola, eine Fahrt mit dem Weihnachtsschlitten, an Felizitas gehen. Mogeln für die Liebe sei erlaubt, denn manchmal müsse man dem Schicksal etwas nachhelfen. Eine Frau mit „Charisma“ – wie Felizitas – sei genau die richtige für den Weihnachtsmann.