Drohne

Das unbekannte Wind-Ungeheuer

Niklas war überglücklich, als er zu seinem 16. Geburtstag die heiß ersehnte weiße Drohne mit vier kleinen schwarzen Propellern aus dem Geschenkpapier auswickelte. Er hatte nicht daran geglaubt, dass seine Eltern ihm diesen Wunsch erfüllen würden. Niklas musste ihnen jedoch versprechen, die Drohne nur auf einem Modellflugplatz fliegen zu lassen.

Gemeinsam mit seinem Vater ging er ein paar Tage später zu einem Fachgeschäft für Beschriftungen, um für die Drohne - wie gesetzlich gefordert - eine Aluminium-Plakette mit seinem Vor- und Zunamen sowie seiner Adresse zu kaufen. Direkt danach meldete er sich zum "Drohnenführerschein" an. Stolz hielt er kurz darauf die Bescheinigung in der Hand. Er wusste nun beispielsweise, dass seine Drohne nicht über Wohn- und Naturschutzgebiete oder über bestimmte Verkehrswege und nicht in großen Höhen fliegen durfte.

Niklas fieberte jetzt dem 4. Adventssonntag entgegen, an dem sein Vater mit ihm zum Modellflugplatz fahren wollte. Sorgsam legte er die Drohne in den Kofferraum. Und los ging es zu seinen ersten Flugversuchen.

"Na, wohl das erste Mal hier!" Ein älterer Mann sprach Niklas freundlich an, als er sich suchend auf dem Modellflugplatz umsah. "Du musst dorthin zu dem kleinen Hügel gehen, das ist heute die beste Vorbereitungsfläche für einen guten Flug", riet er dem jungen Copter-Besitzer. "Der Schutzzaum grenzt die Fläche Richtung Norden und Süden ein, so dass ihr in Ruhe fliegen könnt. Ich hoffe nur, das Wetter spielt mit."

Niklas steuerte seine Drohne vorsichtig in die Höhe, hielt sie immer in Sichtweite, drehte ein paar Loopings und ließ sie behutsam wieder neben seinem Vater und sich im Gras landen. Vor dem nächsten Start kontrollierte er die vier Propeller, die Kamera und den Akku.

"Alles o.k., ich schicke sie wieder in die Luft." Niklas strahlte seinen Vater an. "Finde ich toll von dir, dass du mich heute hierhin gefahren hast."

"Nun ja, mit dem Fahrrad wäre der Weg zu weit. Außerdem ist Mama froh, uns los zu sein. Dann kann sie mit ihren Arbeitskolleginnen ein gemütliches Adventsfrühstück machen." Niklas Vater schmunzelte.

Beide bemerkten bei ihren Flugmanövern nicht, dass hinter ihnen dunkle Wolken aufzogen. Zu sehr waren sie damit beschäftigt, die Drohne im Blick zu halten. Plötzlich traf beide eine heftige Windböe, die ebenfalls die Drohne erfasste. Diese wirbelte immer höher in die Luft und verschwand schließlich in einer dunklen Wolke.

"Oh nein, ich kann sie weder sehen noch steuern!" Gemeinsam mit seinem Vater versuchte Niklas verzweifelt alles Mögliche, aber die Drohne blieb verschwunden.

Engel in Wolken

Während die beiden auf der Erde durch weitere Windböen heftig durchgeschüttelt wurden, trafen diese zur gleichen Zeit Laila, einen Engel, der schon erste Erkundungsflüge für das Weihnachtsfest machte. Der Wind wirbelte Laila um seine eigene Achse. Dann stürzte der Engel Richtung Erde ab, und im nächsten Moment katapultierte ihn eine neue Windböe in größere Höhen. Ein heftiger Schlag von etwas Weißem traf ihn am Kopf. Etwas Schwarzes verhedderte sich im Stoff seines Engelsgewandes und blieb darin stecken.

Voller Panik flog Laila zu einer großen Eiche, um sich etwas zu erholen. Ängstlich betrachtete er das Wind-Ungeheuer, das in seinem Gewand noch brummte. Laila entdeckte einen kleinen Schalter, drehte daran, und es wurde sofort still. Zudem bemerkte er ein kleines Schild. Er beschloss, andere Engel um Rat zu fragen.

"Natürlich kenne ich dein 'unbekanntes Wind-Ungeheuer'. Es ist eine Drohne, genauer gesagt ein Quadrocopter - vier Propeller für 'Quadro'. Du kannst hier lesen, wem sie gehört und wo der Copter-Besitzer wohnt. Die Drohne hat eine Kamera. Schauen wir uns einmal an, ob wir etwas erkennen."

Engel Nariel kannte sich mit der Quadrocopter-Technik aus. Sie sahen einen Jungen und einen Erwachsenen, die beide freundlich in die Kamera lächelten. "Eigentlich dürfte ihre Drohne nicht in den Höhen fliegen, in denen wir unterwegs sind!"

"Die Windböen waren bestimmt Schuld daran. Ich war ihnen völlig hilflos ausgeliefert. Schau' hier, eine kleine Beule! Die Drohne hat mich zuerst am Kopf erwischt und blieb danach im Stoff hängen. Ist zum Glück alles halb so schlimm. Und was machen wir nun mit ihr?"

"Ich schlage vor, du bringst sie in der Morgendämmerung zur angegebenen Adresse und legst sie heimlich vor die Haustür. Wahrscheinlich wird der Besitzer, vermutlich der von der Kamera aufgenommene Junge, traurig über den Verlust sein. Ist nicht unbedingt billig so ein Quadrocopter."

"Gut, das mache ich. Ich ziehe die letzten Stofffetzen aus den Propellern heraus und hoffe, dass sie funktionsfähig bleiben."

Als Niklas am folgenden Morgen die Haustür öffnete, traute er seinen Augen nicht. "Papa, die Drohne ist wieder da. Irgendjemand muss sie uns vor die Tür gelegt haben. Das ist doch nett - oder!" Niklas vollführte einen Freudentanz auf der Treppe und schwang dabei seine Drohne durch die Luft. "Lass' uns mal schauen, ob die Kamera, während ich sie nicht steuern konnte, etwas aufgenommen hat!"

Beide schauten sich gespannt die Bilder an und entdeckten etwas, was sie niemals zuvor gesehen hatten - einen Engel, den der Wind kräftig durchgeschüttelt hatte.

"Siehst du, Niklas! Und du sagst immer, an Wunder glaubst du nicht. Es gibt sie also doch!"