Die halbe Nacht war der Nikolaus schon unterwegs, hatte unzählige Geschenke in den Kinderzimmern auf der ganzen Welt verteilt. Aber keines der Kinder hatte auch nur im Entferntesten daran gedacht, dass der Nikolaus Hunger haben könnte. Es gab keinen Reis in Japan, keinen Hamburger in Amerika und keine Knödel in Österreich. Der Nikolaus stolperte nur über zahlreiche alte Spielsachen, über schmutzige Socken und volle Schulranzen, die in den Kinderzimmern auf dem Fußboden herumlagen.
Sein Magen knurrte immer lauter und er konnte sich kaum noch auf das Verteilen der Geschenke konzentrieren. Das wäre peinlich, wenn er vom Hunger geplagt statt des gewünschten Spiel-Wohnmobils einen funkferngesteuerten Offroader zu Frederike ins Zimmer stellen würde. Das gäbe ein Gelächter bei den Weihnachtswichteln am Nordpol bis ins Jahr 3000 hinein. Diese Blamage konnte sich der Nikolaus natürlich nicht leisten.
Auch Rudolf, sein treuestes und ältestes Rentier, konnte ihm nicht weiterhelfen, denn es gab nur Stroh im Gepäck für alle Rentiere des Schlittens. Aber keine Weihnachtsplätzchen, Äpfel, Nüsse oder andere Leckereien.
Wieder waren zwei Stunden harter Arbeit für den Nikolaus vergangen. Und wieder hatten die Kinder nicht an seinen leeren Magen gedacht, sondern nur an ihre vielen Wünsche.
„Gott sei Dank, nur noch drei Stunden dauert meine Reise“, dachte der Nikolaus und blickte dabei auf seine goldene Weihnachtsuhr. „Ob es wohl irgendwo ein Kind gibt, das an meinen großen Hunger denkt? Ich gebe die Hoffnung nicht auf, Rudolf.“ Der Nikolaus seufzte und stieg wieder in den Schlitten, um seine Reise fortzusetzen. Er zwängte sich durch den Kamin eines alten Bauernhauses und schlich sich leise ins Kinderzimmer. Er stolperte über etwas Hartes und fiel längs auf den Fußboden. „Auch das noch“, stöhnte er, „bleibt mir denn heute Nacht gar nichts erspart!“ Der Nikolaus rieb sich die Nase und das Kinn.
Plötzlich ging das Licht an und zwei braune Kinderaugen strahlten ihn an. „Ich wusste, dass du kommst. Ich habe es mir so sehr gewünscht, dich einmal bei der Arbeit zu sehen. Deshalb habe ich auch nur das auf meinen Wunschzettel geschrieben. Spielsachen haben alle meine Freundinnen, aber niemand von ihnen hat den Nikolaus gesehen. Vielleicht hast du Hunger auf deiner Reise? Deshalb habe ich dir eine Schüssel mit Kartoffelsalat hingestellt. Ich habe heute Abend extra weniger gegessen, damit für dich etwas übrig bleibt. Kartoffeln sind gesund und du musst doch gesund bleiben, wenn du zu allen Kindern willst.“
Der Nikolaus rieb sich gerührt über die Augen und zupfte verlegen an seinem weißen Bart. „Das ist lieb von dir, dass du an meinen leeren Magen gedacht hast. Ich habe meinen Weihnachtskuchen vergessen und einen riesigen Appetit. Ich dachte schon, ich schaffe all die Arbeit nicht mehr, wenn ich nicht irgendwo etwas zu essen bekomme. Du glaubst gar nicht, wie schwer Spielsachen sein können, wenn man nichts im Magen hat.“ Der Nikolaus setzte sich auf Susannas Bettkante.
„Hier ist eine Gabel, ich habe sie vor dem Zubettgehen auf meinen Nachttisch gelegt, damit du dich im Dunkeln nicht verletzt. Guten Appetit, Santa. So heißt du doch auf Englisch oder?“
Während der Nikolaus genüsslich den Kartoffelsalat verspeiste und von seinen vielen nächtlichen Besuchen erzählte, fielen der kleinen Susanna die Augen zu. Und sie träumte vom Nikolaus, dessen Bauch immer dicker wurde, weil er fortan jedes Jahr zu ihr kam, um den leckeren Kartoffelsalat zu essen.
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